Im Interview mit Kerstin Brosius

 

Coronakrise, Klimakrise. Können wir durch die eine Krise Maßnahmen für die andere ableiten?
„Ist es nicht möglich, dass wenn wir es jetzt schaffen uns dahingehend einzuschränken, damit die Älteren Menschen geschützt werden, wir uns auch in Zukunft einschränken können, für die noch kommenden Generationen?“ Diese sehr interessante Frage stellte mir Kerstin Brosius, in unserem Interview über die Klimakrise, Umweltschutz und was wir in dem Zusammenhang aus der Coronakrise lernen können.

Kerstin ist seit 2016 als Verkehrsplanerin in einem privaten Büro tätig, welches unter anderem auch Verkehrskonzepte für Kommunen erstellt. Momentan befindet sie sich im Mutterschutz und hat so natürlich eine direkte Verbindung zu der zukünftigen Generation. Grade als werdende Mutter beschäftigt sie sich viel mit dem Thema intragenerationelle Gerechtigkeit und wie wir diese durch unser jetziges Handeln beeinflussen.

 Um direkt in das allgegenwärtige Thema einzusteigen: Wie nimmst du die Corona Situation momentan generell wahr? Wie geht‘s dir mit der Gesamtsituation?

 

Für mich wurde die Welt durch die Kontaktsperre von einem Tag auf den anderen eine andere. Mit Masken einkaufen zu gehen, gab es bei uns in der Form ja noch gar nicht. Mein Mann und ich sind nicht mehr zur Arbeit gefahren, sondern konnten im Homeoffice arbeiten. Und wir haben unsere Familien nicht mehr einfach so besuchen können.

Ich empfinde die Situation als zwiegespalten. Im Homeoffice arbeiten zu können ist eigentlich eine sehr angenehme Erfahrung, die ich vorher auch noch nie so wahrgenommen habe. Jedoch so eingeschränkt zu sein, was das Treffen mit Familie, Freunden und Freizeitaktivitäten angeht, ist doch sehr schade. Tatsächlich sehe ich das Homeoffice für mich persönlich zukünftig auch als gute Alternative, grade wenn man ein Kind zu Hause hat und gleichzeitig wieder in den Beruf einsteigt.

 

Du interessierst dich auch für das Thema Nachhaltigkeit/ Klimaschutz, welche Veränderungen, hervorgerufen durch Corona, nimmst du momentan wahr, die auch gleichzeitig dem Klima zugutekommen? Kann man die beiden Krisen vergleichen?

 

Man kann die beiden Krisen nicht so wirklich miteinander vergleichen, da die Coronakrise eine Krise zum „Anfassen“ ist. Die Maßnahmen hierfür sind besser zu begreifen und nachzuvollziehen, da sie direkt eine Wirkung zeigen. Bei der Klimakrise fällt einem dies noch ein wenig schwerer, weil die Auswirkungen noch nicht so drastisch für uns hier spürbar sind.
Andererseits denke ich, dass wenn es jetzt möglich ist, dass wir uns zum Schutz der Älteren und der Risikogruppen einschränken können, dann könnte dies ja auch möglich sein zum Schutz der nachfolgenden und jetzigen Generationen, in Bezug auf den Klimaschutz. Diese Gedanken führe ich mir grade so direkt vor Augen, weil meine Tochter ja bald auf die Welt kommt und das Thema für mich deshalb greifbar wird. Corona ist grade wichtig und überall in den Medien präsent, trotzdem wünsche ich mir, dass der Klimaschutz nicht zu sehr in den Hintergrund rückt.

 

Merkst du, wie die Menschen in deinem Umfeld durch die Coronakrise mehr Motivation haben etwas zu ändern bzgl. Klima- und Umweltschutz? Hast du generell (auch schon vor Corona) Veränderungen in deinem Umfeld im Hinblick auf Nachhaltigkeit wahrgenommen?

 

Seit der Coronakrise hat in meinem Umfeld keiner vermehrt mehr auf die Umwelt- und den Klimaschutz geachtet. Viele sind eher traurig, dass ihre Sommerurlaube jetzt ausfallen, ohne darin ein Potenzial für die Erholung der Umwelt zu sehen.

Generell jedoch nehme ich schon ein Umdenken wahr, das zu kleinen Veränderungen im Verhalten beiträgt. Grade für uns ist es nun einfacher, durch die Nähe zum Supermarkt, ohne das Auto einkaufen zu gehen. Viele, wie wir auch, trinken Leitungswasser und verzichten somit auf Plastikflaschen.
Auch in Bezug auf meine Tochter werde ich versuchen, das Thema Nachhaltigkeit immer einzubeziehen, beispielsweise werden wir Stoffwindeln ausprobieren. Meine Nachbarin macht dies sogar schon und ist sehr begeistert.

Ich denke das gesamte Thema Nachhaltigkeit ist mittlerweile schon bei vielen angekommen, noch nicht bei allen, aber bei vielen. Meine Botschaft an der Stelle ist auch, dass es gar nicht im großen Stil sein muss. Vielmehr würde ich mir wünschen, dass jeder für sich versucht kleine Veränderungen in seinem Leben vorzunehmen, so wie es für einen passt.
Große Maßnahmen, die durch die Politik grade auf Bundesebene gefordert werden, scheinen meistens so weit weg und sind meiner Meinung nach deswegen schwer greifbar. Ich fände es deshalb besser, sich stärker auf kommunaler Ebene zu fokussieren, da hier auch direkte Veränderungen durch die Bürger wahrgenommen werden können. Vielleicht kann so auch eine größere Akzeptanz für den Klimaschutz hervorgerufen werden und Menschen dazu anregen, bei sich selbst die Veränderungen im eigenen Verhalten voranzutreiben.

 

Glaubst du solche Beschränkungen, die für Corona eingeführt wurden, können auch zum Wohle des Klimas eingeführt werden? 

 

Die Maßnahmen sind auch wieder nicht vergleichbar, da auch die Krisen nicht so direkt miteinander vergleichbar sind. Zwar hilft es dem Klima, wenn wir überwiegend zu Hause bleiben, aber diese Einschränkung kann und sollte ja keine dauerhafte Lösung zum Klimaschutz sein.
Für mich vorstellbar wären in dem Zusammenhang eher, nennen wir sie „Aktionswochen Homeoffice“, die dazu beitragen könnten den Verkehr flächendeckend zu reduzieren. Ich denke dabei an ein bis zwei Wochen im Jahr, für die Firmen, die es einrichten können, dass Leute aus dem Homeoffice arbeiten. Es sollte keine generelle Vorschrift geben, dass Homeoffice verpflichtend wird. Vielleicht sollte man auch über Anreizsysteme für die Firmen arbeiten, die diese Aktionswochen dann anbieten, dass sie somit einen Bonus bekommen.

 Einschränkungen stehe ich mit gemischten Gefühlen gegenüber, ich glaube es ist schwierig Leute für Maßnahmen zu begeistern, indem man ihnen nur etwas „wegnimmt“. Es sollte auch immer Anreizsysteme geben, mit denen man den Leuten etwas zurückgibt. Klimaschutz wird meiner Meinung nach nicht ohne solche Anreize funktionieren können. Um den Gedanken an einem Beispiel fest zu machen: Man kann den Leuten nicht vorschreiben, dass sie auf das Auto verzichten müssen und auf das Fahrrad umsteigen sollen, man sollte als ersten Schritt sichere Radwege zur Verfügung stellen.

 Für mich sollten die Maßnahmen und damit verbundenen guten Auswirkungen als Appell an die Menschen gehen, dass wir jetzt die Coronakrise gemeinsam meistern und dies also auch für die Klimakrise gemeinsam möglich sein wird!

 

Wenn du Politikerin wärst und eine Liste für deine politischen Entscheidungen in den nächsten zwei Jahren ausarbeiten sollst, was stünde ganz oben auf den ersten beiden Plätzen? 

 

Ich würde mich, meinem Job als Verkehrsplanerin geschuldet, auf den Ausbau der Radwege und des ÖPNV konzentrieren. Ich würde versuchen einen Umdenken anzuregen, dass Verkehr nicht nur gleichgesetzt wird mit KFZ-Verkehr, sondern dass auch andere Verkehrsteilnehmer, wie Radfahrer und Fußgänger, gleichberechtig sind. Und natürlich würde ich die „Aktionswochen Homeoffice“ einführen 😊 
Ebenfalls ist es der lokale Einzelhandel, den ich stärken wollen würde. Kurz gesagt bedeutet das meiner Meinung nach: weniger Onlinebestellungen bedeuteten weniger Postwagen auf den Straßen, somit weniger Verkehr und weniger Müll.

 

Was würdest du dir abschließend von den Menschen an nachhaltigen Veränderungen wünschen?

 

Geht kleine Schritte, zeigt Interesse und versucht für euch funktionierende Veränderungen hin zur Nachhaltigkeit in euren Alltag zu integrieren. Allein es zu versuchen zeigt einem schon, zu was man fähig ist und welche Umstellungen tatsächlich möglich sind. Schaut doch mal bei euch zu Hause nach, was könnt ihr eventuell an Wegwerfprodukten durch Mehrwegprodukte ersetzen. Schaut welche Ernährungsumstellungen für euch passen; vielleicht kocht ihr unter der Woche einfach mal vegan oder vegetarisch.

 

 

Durch das Interview möchte ich euch zeigen, wie auch Freunde in meinem Umfeld mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Wie wir auch in unserem Blog beschreiben gibt es kleine Schritte, die jeder für sich integrieren kann, damit wir gemeinsam in eine nachhaltige Zukunft gehen können. Lasst uns zusammen diese Schritte gehen und teilt eure Erfahrungen gerne mit uns auf Instagram! Ich danke Kerstin sehr für dieses inspirierende und spannende Interview.

Eure Muri